Im Zuge des Mastermoduls "Geowissenschaftliche Fernerkundung" wurde eine nahezu kreisförmige Struktur im nördlichen Zentral-Niger untersucht. Diese befindet sich etwa 100 km nördlich der Hochgebirgskette des Aïr-Massivs und weist einen Durchmesser von rund 10 km auf. Bei der detaillierten Fernerkundungsanalyse der Struktur im Niger stachen insbesondere Ähnlichkeiten mit einer besonderen anthropogenen Siedlung, dem mystischen Atlantis, ins Auge. Zahlreiche Landmarken der versunkenen Stadt korrelieren auffällig mit Rekonstruktionen der versunkenen Stadt.
Es wurde ein fundierte Fernerkundungsanalyse auf Basis von Multispektraldaten (Landsat 8 und Sentinel 2), digitalen Geländemodellen (SRTM und ALOS) und Radardaten (Sentinel 1 und PALSAR) durchgeführt. Die untersuchte Struktur im Niger weist eine fast perfekte Kreisform auf, der Durchmesser schwankt zwischen 10,44 km in Nord-Süd Richtung und 11,45 km in Ost-West Richtung (Abb.1). Die einzelnen Hügel, aus denen sich die Struktur zusammensetzt, erreichen Höhen von wenigen bis 10er Metern, die höchste Erhebung liegt gute 50 m über dem Niveau der Umgebung. Im Zuge einer Multispektralanalyse zeigte sich ein erhöhtes Vorkommen von Eisenoxidverbindung in den einzelnen Hügeln der Struktur, während in der Umgebung vor allem Quarz dominiert.
Zwar passen die beobachteten Merkmale der Struktur auch zu einem stark erodierten Impaktkrater, jedoch fehlen eindeutige Anzeichen von Ejekta im Umkreis des Kraters. Allerdings sind kreisförmige Morphologien auch durchaus typisch für anthropogene Strukturen, so weisen menschliche Siedlungen häufig eine runde Struktur auf. Zudem sind insbesondere historische Siedlungen oftmals von einer Einfriedung wie beispielsweise einer Stadtmauer umgeben, welche einem äußeren Kraterring ähneln können. Laut Platon war die äußere Stadtmauer von Atlantis mit (Eisen)Erz befestigt, dies korreliert mit den Ergebnissen der Multispektralanalyse, welche ein erhöhtes Vorkommen von Eisenoxid in der Struktur zeigen.
Eine Reihe von Landmarken verbindet die Struktur im Niger mit Rekonstruktionen von Atlantis (Abb. 2). So stimmt die Position der höchsten Erhebung leicht nordwestlich des Zentrums mit der Kleito und Poseidon gewidmeten Tempeln überein, welcher auf der Akropolis von Atlantis gestanden haben soll (Abb. 2a, b). Weiterhin lassen sich ein äußerer und ein bis zwei innere Ringe aus Hügelketten erkennen, die zu den drei Kanalsystemen der Akropolis von Atlantis passen würden (Platon, Kritias; Übersetzt von Franz Susemihl 1857). Auch die weitere Umgebung passt zu der Beschreibung Platons, der das Bild einer weiten Ebene zeichnet, welche von Bergen umschlossen ist. Der hier untersuchte Krater liegt rund 100 km nördlich der Hochgebirgskette des Aïr-Massivs in einer Ebene mit ansonsten geringem topographischem Relief. Platon spricht davon, dass die Ebene von zahlreichen Kanälen durchzogen war, da der Transport in Atlantis auf dem Wasser stattfand, auch in der Umgebung der Struktur zeigen Radardaten mehrere Kanalstrukturen.

Die Existenz des vom griechischen Philosophen Platon bereits in der Antike beschriebene Atlantis ist stark umstritten. Während zahlreiche Historiker von einer rein fiktiven Erzählung ausgehen, nehmen andere Autoren einen realen Hintergrund des Mythos an, bei dem ein reales Ereignis als Vorbild verwendet, die zeitlichen und geographischen Angaben jedoch stark verändert wurden.
Eine ganze Reihe von Lokalisierungsversuchen sind bisher erfolglos geblieben, die meisten von ihnen versuchten Atlantis im Gebiet des heutigen Mittelmeers zu verorten, allerdings wurde auch unter anderem die Doggerbank in der Nordsee oder gar Amerika als mögliche Basis der Erzählung genannt, sowie zahlreiche andere Orte außerhalb des Mittelmeers (Kohns & Sideri, 2009). Möglicherweise ist das Scheitern bisheriger Lokalisierungsversuche von Atlantis nicht in der fehlenden Existenz der Stadt begründet, sondern darin, dass schlichtweg am falschen Ort gesucht wurde. Laut Platon befindet sich Atlantis außerhalb der „Säulen des Herakles“, welche als Straße von Gibraltar gedeutet werden, er beschreibt „eine Insel, größer als Asien und Libyen zusammengenommen“ (Platon, Timäos; Übersetzt von Hieronymus Müller 1857) und erwähnt zudem das Vorkommen von Elefanten - all dies passt zum afrikanischen Kontinent.
Eine weiter Hypothese nennt das „Auge der Sahara“, eine kraterähnliche geomorphologische Struktur in Mauretanien, als potentielle Überreste von Atlantis, nimmt man die Angaben Platon wörtlich, ist dieses jedoch mit einem Durchmesser von über 20 km viel zu groß. Platon beschreibt die Größe der Metropole mit einem Durchmesser von 27 Stadien, was ungefähr 5 km entspricht. Damit wäre auch die Struktur im Niger mit einem Durchmesser von ca. 10 km etwas zu groß, allerdings deutlich kleiner als das „Auge der Sahara“ und passt somit eher zu den Beschreibung von Platon. Zudem ist nach wie vor nicht vollends geklärt, wie die 27 Stadien gemessen wurden und ob dabei alle Stadtringe mit einbezogen wurden, nur die beiden inneren oder nur die bebauten Ringe ohne die Wasserkanäle dazwischen.
Zwar liegt der Niger heute in einer Wüstenregion, doch der Untergang von Atlantis soll 9000 Jahre vor Platons Zeit stattgefunden haben, welcher um 428/427 bis 348/347 v. Chr. lebte. Damit würde die Existenz von Atlantis in eine Zeitperiode fallen, welche auch als Afrikanische Humide Periode oder Grüne Sahara bekannt ist (Abb. 3a), damals war das Klima in der heutigen Wüstenregion deutlich humider, mit weitreichenden Flusssystemen, die bis in den Niger reichten (Abb. 3b). Über diese Kanäle könnte sich die Atlantische Seemacht Zugang zum Meer verschafft haben, gleichzeitig wäre das Zentrum und Herz des Reiches so weit im Landesinneren von Angriffen von der Küste her geschützt gewesen.

Zudem beschreibt Platon ein ausgeklügeltes Bewässerungssystem, welches es Atlantis möglich gemacht hätte, trockene Regionen fruchtbar zu machen und zwei Ernten im Jahr einzufahren, dies passt zu einer Region mit milden klimatischen Bedingungen ohne starke Bodenfröste, welche die Ernte gefährden könnten.
Der Legende nach wurde der Untergang der Stadt durch Erdbeben und Überschwemmungen in einem Tag und einer Nacht ausgelöst, wodurch die Insel Atlantis im Meer versank und ihre gesamte Heeresmacht zunichte gemacht wurde (Platon, Timäos; Übersetzt von Hieronymus Müller 1857). Dies würde zu einer so weit im Landesinneren gelegenen Lokalität wie der im Niger nicht passen, jedoch können auch Starkregen heftige Überschwemmungen im Landesinneren verursachen, ganz besonders in Regionen mit sandigen Böden, ebenso sind Erdbeben in der beschriebenen Region keinesfalls auszuschließen.
Manche Interpretationen sprechen auch Vulkanausbrüchen im Zusammenhang mit dem Untergang der Stadt, was mit der Lokalität im Norden Nigers insofern übereinstimmt, als dass sich im nördlich gelegenen Ahaggar (oder auch Hoggar) Gebirge das Atakor-Vulkanfeld befindet, welches zwischen 1,9 Millionen Jahren bis vor ca 10.000 Jahren von vulkanischer Aktivität geprägt war (Liégeois et al., 2005). Die Existenz vulkanischer Gesteine und Mineralien würde die Theorie einer reichen Stadt mit vielen Erdschätzen, sowie das Erbauen der Gebäude aus schwarzen (Basalt), roten (vulkanische Schlacke) und weißen (Tuffite/Bimsstein) Gesteinen erklären. Zudem ist es möglich, dass sich durch monsunartigen Starkregen vernichtende Hochwasser in den nördlich gelegenen Gebirgen bildeten, die dann mit Staub und vulkanischer Asche in Form von Laharen eine in der Ebene am Fluss gelegene und mit Kanalsystemen durchzogene Stadt durchaus dem Erdboden gleich gemacht haben könnte.

Zusammenfassung und Schlussfolgerung
In seiner Erzählung weist Platon ausdrücklich darauf hin, dass es sich bei der Geschichte um eine wahre Begebenheit handelt, welche sich lange vor seiner Zeit zugetragen hat und die mündlich über zahlreiche Personen überliefert wurde. Es wäre eher verwunderlich, wenn bei diesem Prozess keinerlei Informationen verzerrt oder verloren worden wären, sowohl in Bezug auf die Lage als auch die Ausmaße der Stadt. Auf einer Karte des römischen Geographen und Kosmographen Pomponius Mela aus der frühen Kaiserzeit ist Atlantis im Nordwesten Afrikas verortet (Abb. 4).
Demnach ist die hier beschriebene kreisförmige Struktur im Niger durchaus als mit den bisherigen Lokalisierungen des vermeintlichen Atlantis als gleichwertig plausible Position der sagenumwobenen Stadt zu betrachten. Am problematischsten ist allerdings der zeitliche Faktor, da die Existenz einer solchen Hochkultur wie Platons Atlantis um 10.000 BP dem bisherigen Stand archäologischer Forschung widerspricht, eine spätere zeitliche Verortung dann allerdings aus dem Zeitraum der „Grünen Sahara“ fällt. Es gibt bisher zwar keine Belege für die Anwesenheit einer menschlichen Siedlung durch Artefakte, jedoch wurde in der Region im Niger unserer Kenntnis nach noch nicht nach anthropogenen Artefakten gesucht. Es bedarf daher gezielter archäologischer und geologischer Untersuchungen, um die aufgestellte Vermutung der Struktur als Überreste von Atlantis zu be- oder widerlegen.
Quellen:Deutsche Übersetzungen von Platons Atlantisdialogen: Verfügbare deutsche Übersetzungen von Platons Timaios und Kritias:
- Franz Susemihl 1856/57
- Hieronymus Müller 1857
- Abgerufen über https://www.atlantis-scout.de/atlantimkrit.htm
Kohns, O., & Sideri, O. (2009). Mythos Atlantis: Texte von Platon bis JRR Tolkien. Reclam.
Hofmann, U. (2005). Was Atlantis a Bronze Age Metropolis in Northafrica?.
Liégeois, J., Benhallou, A., Azzouni-Sekkal, A., Yahiaoui, R., & Bonin, B. (2005). The Hoggar swell and volcanism: reactivation of the Precambrian Tuareg shield during Alpine convergence and West African Cenozoic volcanism. Special Papers-Geological Society of America, 388, 379.
Sample, I. (2015). Ancient river network discovered buried under Saharan sand. The Guardian. <https://www.theguardian.com/science/2015/nov/10/ancient-river-network-discoverd-buried-under-saharan-sand>
Shanahan, T. M., McKay, N. P., Hughen, K. A., Overpeck, J. T., Otto-Bliesner, B., Heil, C. W., ... & Peck, J. (2015). The time-transgressive termination of the African Humid Period. Nature Geoscience, 8(2), 140-144.
Varga, T. (2024). Ancient Lakes of the Sahara: What Northern Africa Looked Like Between 10,000 and 5,000 Years Ago. Earthly Mission Crew. <https://earthlymission.com/ancient-lakes-of-the-sahara/>
Ein phantasievoller und kreativer (im Übrigen freiwilliger) Bericht von drei Studierenden des Moduls "Geowissenschaftliche Fernerkundung", der es verdient hat, nicht in der Schublade zu verschwinden, insbesondere am 1. April ;-)
Vielen Dank hierfür an die auf ihren Wunsch hin nicht namentlich erwähnten Studierenden. Ich habe mich sehr gefreut, so macht Lehre wirklich Spaß!